Historische Narrozunft Villingen 1584 e.V.
Ort: 78048 VS-Villingen
Gegründet: 1882
Narrenruf: Narri - Narro
Vereinigung: -
Wir beginnen direkt mit einem sehr großen Beitrag, da die heutige Zunft wirklich viel an Tradition pflegt und auch die einzige Zunft der gesamten Schwäbisch-Alemannischen Fasnet ist, die selbst dem modernen Trend der Narrentreffen, die erstmals in den 1930er Jahren veranstaltet wurden, stand gehalten haben und die Fasnet, wie es schon immer war, nur in der eigenen Stadt feiert. Wer die Historische Narrozunft Villingen 1584 e.V. einmal live sehen möchte, muss auf alle Fälle nach Villingen kommen. Vermutlich ist genau diese Einzigartigkeit das besondere, denn wenn das alle noch so machen würden, hätte man im Leben kaum die Chance die große Vielfalt der Fasnet jemals zu erleben. In einem Dokument des Jahres 1326 erhielt die Stadt die Bestätigung für die althergebrachten Rechte und Freiheiten und damit auch wieder das Recht, die Fasnet zu feiern. Die älteste Figur, der Narro ist im 16. Jahrhundert entstanden und hat sich über die inzwischen 400 Jahre zu seinem heutigen Aussehen entwickelt. Auch die heutige Zunft ist mit dem Gründungsjahr 1882 ein damaliger Vorreiter gewesen, als in vielen Orten der Karneval die traditionelle Fasnet ein Stück weit verdrängt hat. Ein weiterer Meilenstein dieser Zunft war die Gründung der ersten Vereinigung. Vom damaligen Zunftmeister angestoßen, wurde die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte e.V. im Jahr 1924 mit Anfangs 12 Vereinen gegründet. Ziel war der Erhalt des Brauchtums sowie ein stärkerer Einfluss bzw. Rückhalt gegenüber der Regierung und drohenden Verboten. Die VSAN ist im laufe der Zeit auf die heutigen 68 Zünfte angewachsen und neben ihr sind weitere 23 Verbände mit gesamt über 900 Mitgliedern entstanden. Auch wenn die Narrozunft sich 1955 wieder von diesem Trend zurückgezogen und die VSAN verlassen hat, hat sie den Grundstein dafür gesetzt. Mit inzwischen über 4.000 Mitgliedern ist sie der größte Verein der Region.
Narro:
Der Narro wurde erstmals im 16. Jhd. erwähnt und hieß damals noch Masquera bzw. das Narrolaufen noch als Masquera-Laufen. Die Wortherkunft lässt sich dabei auf das arabische Wort مسخرة (masḫara) zurück verfolgen, was übersetzt Maske bedeutet und früher viel für religiöse Zwecke sowie im Theater genutzt wurde. Daraus folgte ebenfalls der Begriff des Maschgern, womit das unterhaltsame Aufsagen besonderer Ereignisse des letzten Jahres bezeichnet wird und in Villingen wird auch der Narro heute Maschgere genannt.
Zum Häs selbst gehören eine Kappe, ein Kittel sowie eine Hose aus grobem Leinen. In seiner unveredelten Form war dies die Kleidung der unteren Gesellschaftsschichten. Weiterhin war es die einfachste und günstigste Art, ein einfaches weißes Häs aufzuwerten, wenn man es kunstvoll bemalt. Vor allem häufig bei Weißnarren zu sehen, sind der Bär und der Löwe auf den Hosenbeinen. Sie waren häufige Wappentiere des Adels und der Blaublütern. Ebenso sind die vielen Pflanzen und Ranken ein Hinweis auf genau diese oberen Bevölkerungsschichten, die man sonst gerne an Torbögen oder auf Seidentüchern gefunden hat. Da an der Fasnet der Narr alles aussprechen durfte, verspottete bzw. äffte der Narro mit seiner Bemalung wie auch mit Ornamenten wie die große Halskrause die Obrigkeit nach. Die glatte Holzmaske dieser Figur kommt aus der Barockzeit und die älteste Villinger Maske stammt aus der Mitte des 17. Jhd. An der Kappe trägt diese Figur zusätzlich einen Fuchsschwanz, der als Zeichen für Falschheit und Gottlosigkeit im Mittelalter vor allem deformierte (behinderte) Menschen tragen mussten. Wer einen getragen hat, dem konnte man nicht trauen. Dazu kam ein großes Ziertuch, dass offen am Häs getragen wird und damals als Standesnachweis diente und im 16. Jhd. noch den unteren Ständen verboten war. Auch dies ist ein Zeichen für die Auflehnung gegen den Adel. Abschließend trägt der Narro Lederriemen mit aus Bronze gegossenen Schellen, die zum Narrosprung erklingen.
Stachi:
Eine weitere Figur der Narrozunft ist der Stachi. Die Hose, die Halskrause und die Kappe sind wie beim Narro. Statt dem Kittel aus weißem leinen und den Schellenriemen trägt dieser eine blaue Fuhrmannsbluse. Auch die Holzmaske ist nicht mit den lieblichen Gesichtsausdrücken der Narromaske, sondern mit etwas derberen oder spöttischen Gesichtsausdrücken individuell gestaltete Masken. Diese Figur sieht man gerne mit einem Tischbesen, einem Teppichklopfer, einem Staubwedel oder einer Narrenschere.
Altvillingerin:
Ehemals war die Fasnet reine Männersache und maskierte Frauen wurden zum Beispiel durch das Tauchen im Brunnentrog bestraft. In der französischen Revolution wurde 1789 das erste mal die Gleichberechtigung von Mann und Frau gefordert und die Bewegung nahm immer mehr fahrt auf. So wurde es auch in Villingen zu Beginn des 19. Jahrhunderts Sitte, dass Frauen sich dem Narro anschließen durften. Dies war die Geburtsstunde der Altvillingerin. Das Häs war damals günstig zu beschaffen und wurde aus Utensilien zusammengestellt, die viele schon Zuhause hatten. So besteht das Häs aus einem langen Kleid aus Seidenstoff über dem eine Schürze aus Taft getragen wird. Über die Schultern trägt sie einen Seiden- oder Wollschal. Als Kopfbedeckung wird eine meist goldgestickte Radhaube. Aus einem Schnupfdöschen gibt es dann auch gerne mal eine kleine Süßigkeit für die Zuschauer.
Morbili:
Mit dem gleichen Häs wie die Altvillingerin ist auch das Morbili auf den Straßen unterwegs. Unterschiede gibt es bei der Holzmaske sowie bei der Kopfbedeckung. Die Holzmaske stellt das Gesicht einer älteren Frau, mit einem etwas spöttischen Lächeln dar. Bereits zum Ende des 19. Jhd. gab es in einem Katalog einer Papiermachemasken-Fabrik das Produkt mit der Bezeichnung "Komische Alte Weiber mit Haube" die auch nach Villingen verkauft wurden. Richtige Beliebtheit bekam diese Figur vor allem ab den 1950er Jahren.
Butzesel:
Der Butzesel gehört zu einer der ältesten Tierfiguren in der Fasnet. Wegen der Ausgelassenheit beim Butzesellaufen wurde diese Tradition in der Vergangenheit häufig verboten. Der Butzesel wird von einer Gruppe Stachi bewacht bzw. mit der Goaßel getrieben. Sollte es hier dem Esel gelingen, der Gruppe zu entwischen und in einer Metzgerei, Bäckerei oder Gaststätte zuflucht zu finden, darf er essen und trinken, so viel er möchte und die Zeche muss die Gruppe übernehmen. Seine Beute von Metzgereien in Form von Wurstringen trägt der Esel an seinen langen Ohren.
Das Häs besteht aus einem kompletten Eselskopf sowie einem Anzug im Stil eines Blätzlehäs mit vielen bunten, schindelförmigen Stoffflecken. Das Plätzlehäs war bis ins 19. Jhd. eine sehr günstige Variante, da man dafür viele kleine Stoffreste nutzen konnte, die sonst meistens zu nichts mehr zu gebrauchen waren. Mit dabei hat er einen Fichtenast, auf dem er reitet.
Wuescht:
Die letzte Figur ist der Wuescht. Sie bilden das Gegenstück zum Narro und tragen ein altes getragenes Narrohäs, dass teilweise schon an einzelnen Stellen geflickt werden musste. Die Hosen werden dabei komplett mit Stroh ausgestopft, wodurch er einen ungewöhnliche Gangart bekommt. Die alte und ramponierte Holzmaske vom Narro oder Stachi wird hier nicht als Vermummung genutzt, sondern etwas seitlich vors Gesicht gehalten. Auf dem Rücken trägt er ein Holzbrett, auch Krätze genannt, welches individuell gestaltet wird. Auf dieses Brett werfen Kinder mit Schneebällen oder auch Tannenzapfen, womit man nach altem Brauch diese unförmigen Gestalten aus der Stadt vertreiben wollte. Auch Steine waren früher wohl üblich, aber aus Verletzungsgründen natürlich heute verboten.
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