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Die organisierte Fasnet

Wie im letzten Teil erwähnt, war die Fasnet Ende des 20. Jahrhunderts praktisch komplett verdrängt und nur noch in einzelnen Orten weiter ausgeübt. Der Moderne Karneval hat sich stark in gesamt Mitteleuropa verbreitet und auch der Grund des Festes durch lockere Regeln der Fastenzeit nach der Aufklärung hat das Fest Sinnlos gemacht. Trotzdem gab es Anfang des 21. Jahrhunderts ein Umdenken in vielen Orten und man wollte zurück zur alten Tradition zurückkehren. Damit beginnt nun der Weg zur heutigen organisierten Fasnet.

Die Fasnet bisher

Die Fasnet war schon immer sehr Ortsgebunden. So haben sich auch örtlich eigene Traditionen entwickelt. Während alles im späten Mittelalter mit großen Festen begonnen hat, gab es bereits schon im 14. Jahrhundert die ersten Bräuche wie kleine Umzüge, Tänze oder Fastnachtsspiele. Auch erste Narrengerichte wurden bereits abgehalten. Wer nun jedoch glaubt, dass in diesen Tagen alles gesittet zuging, der irrt sich. Die Fasnet war zwar von der Kirche geduldet, damit sich die Menschen später stärker auf das Fasten und die Buße einstellen können und es auch besser einhalten. Trotzdem war das Fest geprägt von übermäßigem Alkoholkonsum, sexueller Freizügigkeit und es gab auch damals Gegner dieser ausgelassenen Feiern. Manche Prediger haben zu diesem Fest auch die Zweistaatenlehre des heiligen Augustinus angewandt. So war die Fasnet als "civitas diaboli", also vom Teufel regiert, bezeichnet, während die Fastenzeit selbst als "civitas Dei", die von Gott regierte Welt des Heils, bezeichnet wurde. Die Fasnet war das Fest, welches gegen die Regeln der Kirche geführt wurde und schon damals mit Teufel, Dämonen und Narren (Gottesferne, dem Teufel nahe stehende Figur) in Verbindung gesetzt war. Dies spiegelt sich auch heute noch in vielen Narrenfiguren mancher Orte stark wieder. Vor allem in der Frühen Neuzeit mit dem Barock und der Romantik haben sich immer aufwendigere Narrenkleider mit ausgearbeiteten Holzmasken entwickelt. Manche aus dieser Zeit wurden für die organisierte Fasnet neu aufgelegt und diesen nach empfunden.

Der Grundstein der heutigen Fasnet

Wie schon im letzten Teil erwähnt, waren zum Beispiel beim Narrensprung in Rottweil 1903 nur noch 7 Narren aktiv dabei gewesen. Dieser Umstand des vergessenen Brauchtums brachte aktive Narren zum Umdenken und man wollte dieses wieder beleben. Bereits im Oktober 1903 wurde somit der Narren-Verein Rottweil neu gegründet und schon 2 Jahre später waren auch wieder 80 Narren am Narrensprung aktiv dabei. Vor allem nach dem 1. Weltkrieg haben sich immer mehr Vereine gegründet, so gab es im Jahr 1924 bereits ca. 30 registrierte Narrenzünfte in Baden-Württemberg. Da allerdings zu dieser Zeit noch viele Verbote für die Fasnet ausgesprochen waren, kamen am 16. November 1924 die ersten 13 Zünfte in Villingen zusammen um den "Gauverband badischer und württembergischer althistorischer Narrenzünfte", die heutige VSAN und der älteste Verband, zu gründen. Bereits 1 Jahr später konnte der Verband für seine Mitglieder eine Genehmigung für das abhalten der Fasnet in ihren Orten beim Ministerium des Inneren in Karlsruhe, verwirklichen. Mit dieser Entwicklung war nun die Ausbreitung der Fasnet nicht mehr aufzuhalten und bereits 1926 hatte dieser Verband 21 Narrenzünfte als Mitglieder. Der Name Zunft wurde in Anlehnung an das alte Brauchtum aus dem Mittelalter bewusst ausgewählt, auch wenn es heute offiziell eingetragene Vereine mit jeweils eigenen Satzungen sind.

Die örtliche Fasnet verbindet sich

Nachdem schon immer die Fasnet örtlich gebunden war, gab es am 28. Januar 1928 einen Schritt in eine neue Richtung. Das erste Narrentreffen wurde vom Landesverein Badische Heimat in Freiburg veranstaltet. Es soll ein kultureller Austausch zwischen den Orten geben und damit die Möglichkeit auch anderen ihren Brauch vor der eigentlichen Fasnet zu präsentieren. Bereits ein Jahr später wurde auch bei der heutigen VSAN das erste Narrentreffen am 12. und 13. Januar 1929 in Villingen ausgetragen. Die Wochen vor der Fasnet wurden immer mehr zu einem gemeinsamen Feiern und erfreute sich auch immer mehr an Beliebtheit, ohne das die örtliche Fasnet in Gefahr war.

Die Schattenseiten des Narrentourismus

Während die Narrentreffen immer mehr wurden, hat das natürlich nicht jedem gefallen. Manchen wurden die immer häufiger werdenden Narrentreffen zu viel und würde die örtlichen Traditionen zerstören, da die Narren bis dahin Müde werden. So gab es auch immer lautere Kritik daran. Bereits in den 1930er Jahren gab es Streitpunkte innerhalb der Vereinigung. So klagten die 3 historischen Narrenhochburgen Rottweil, Elzach und Überlingen den zunehmenden Narrentourismus und auch den Zusammenschluss mit rheinländischen Karnevalsvereinen. Durch den 2. Weltkrieg musste sich der Verband 1948 wieder neu ordnen und alte Wunden sind wieder entfacht. Bereits 1952 blieben die oben genannten Zünfte dem Narrentreffen in Rottenburg fern. 1953 traten dann endgültig die 3 Zünfte aus dem Verband aus. Gefolgt wurden sie 1955 von der Historischen Narrozunft Villingen und 1958 von der Narrenzunft Oberndorf. Vier der Fünf Zünfte schlossen sich danach 1963 zum Verbandslosen per Handschlag besiegelten Viererbund zusammen. Diese veranstalten nur noch alle 3-4 Jahre einen Narrentag, bei dem sich diese 4 Zünfte gegenseitig besuchen. Die Narrozunft Villingen pflegt eine große Freundschaft mit den Zähringerstädten, welche ebenfalls alle paar Jahre ein Treffen unter sich veranstalten.

Aber nicht nur damals gab es Diskussionen, auch heute entfachen sich weitere Gründe für Kritik. Vor allem in den 90er Jahren gab es einen regelrechten Boom an neuen Gründungen von Zünften. Das Gebiet der Schwäbisch-Alemannischen Fasnet wurde immer weiter vor allem nach Norden ausgedehnt. Viele neue Zünfte haben jedoch keine örtlichen Wurzeln und daher keine eigene Tradition. Trotzdem sind diese bald jedes Wochenende bei teilweise mehreren Veranstaltungen. Vor allem Vertreter der historischen Zünfte sehen diese Entwicklung teils kritisch, da es nicht das Bild der Fasnet wiederspiegelt. es gibt aber auch positive Meinungen dazu. Da in manchen Orte kein großes Interesse in der Heimat herrscht, haben so trotzdem Gruppierungen aus Teils nur 10 Personen die Möglichkeit, dieses Brauchtum mit zu gestalten und auch weiter beleben. Auch kleine Dörfer mit nur wenigen 100 Einwohnern konnten somit neue Zünfte gründen, auch wenn das etablieren einer örtlichen Tradition dabei schwer fällt.

Die Fasnet heute

Die schwäbisch-Alemannische Fasnet ist heute auf ihrem Höhepunkt. Das gesamte Gebiet reicht bis nördlich von Stuttgart, weiter nach Osten bis über die bayerische Grenze und auch in die Schweiz und vereinzelt nach Frankreich. Nachdem es im Jahr 1924 knapp 30 Zünfte gab, wird heute schon von 1.700 Zünften gesprochen. In meiner persönlichen Liste, welche ich erstellt habe, bin ich inzwischen schon bei 1.922 Zünften (Stand 19.08.2019), wobei ich immer noch nicht alle aufgenommen habe und ich hier schon von bis zu 2.000 Zünften ausgehe. Auch gibt es jedes Jahr weit mehr als 100 Narrentreffen, Narrensprünge und Nachtumzüge. Ein großer Teil dieser Zünfte ist auch bereits in einer der 24 Vereinigungen organisiert. Hier kann man heute schon absehen, dass eine weitere Ausbreitung der Grenzen und auch die Neugründungen der Zünfte langsam an ein Limit kommen. Da auch heute die Fasnet nicht mehr zwingend Ortsgebunden ist und auch die Fastenzeit nicht mehr direkt damit verbunden wird, kamen auch kleine Dörfer oder auch protestantisch geprägte Gemeinden dazu.

Auch hat sich die Fasnet im laufe der letzten Jahrzehnte weiter entwickelt und verändert. Während vor allem die traditionellen Zünfte getreu dem Motto "Jedem zur Freud, niemand zum Leid" feiern und auch örtlich viele Besonderheiten zu bieten haben, kamen vor allem bei neueren Zünften ganz neu geschaffene Traditionen, wie das sammeln von Schnürsenkeln oder auch das vermehrte nutzen von Kabelbindern von vorzugsweise Hexenzünften, hinzu.


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